Auf Einladung der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen/Anhalt e. V. - Vereinigung zur Pflege der deutschen Sprache - versuchte Dr. Bernd M. Samland am 26. November 2011 das Wirrwarr zahlreicher englischsprachiger Werbesprüche, sogenannter Slogans, im Veranstaltungszentrum Schloss Köthen (Anhalt) zu entflechten. Dr. Samland ist Geschäftsführer der Endmark GmbH (Köln), einer Agentur für Benennungsmarketing. Diese Agentur hat in den vergangenen Jahren mehrfach Studien zur Verständlichkeit englischer Werbesprüche durchgeführt und ist dabei zu überraschenden, ja teilweise schon erschreckenden Ergebnissen gelangt. Im Herder-Verlag (ISBN 978-3-451-30417-0) ist das gleichnamige Buch erschienen.
In seinem Vortrag stellte der Autor des Buches »Übersetzt du noch oder verstehst du schon?« vor rund 100 Gästen im Anna-Magdalena-Bach-Saal Werbestrategien und -sprüche zumeist großer Konzerne vor. Die, als Produzenten in unserer globalen Welt, natürlich in Deutschland auf Englisch werben! Was die gleichen Hersteller in Frankreich nicht tun dürfen oder in Ungarn nie tun würden. Andererseits scheint es die verantwortlichen Werbestrategen überhaupt nicht zu interessieren, dass repräsentative Endmark-Umfragen aus den Jahren 2003, 2006 und 2009 immer zu dem gleichen Ergebnis kommen: Über zwei Drittel der deutschen Verbraucher verstehen die englischen Werbebotschaften nicht oder interpretieren sie falsch. Nur durchschnittlich 28 Prozent mehrerer Tausend deutscher Muttersprachler zwischen 14 und 49 Jahren, die in Hamburg, Köln, Leipzig und München befragt wurden, konnten die Werbesprüche sinngemäß übersetzen. Und so fragt man sich, warum für Werbung Unmengen von Geld ausgegeben werden, wenn die Botschaften beim Kunden nicht oder falsch ankommen. Die dem Vortrag folgende Diskussion ergab: Das ist nicht nur aus sprachpflegerischer Sicht, sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Katastrophe.
Die Kölner Agentur Endmark hat im Frühjahr 2013 und 2016 weitere Studien zum Verständnis von englischen Werbesprüchen veröffentlicht. 2013 sollten die über 1.000 Teilnehmer der Umfrage englische Sprüche von zwölf ausländischen Automobilherstellern sinngemäß übersetzen. 2016 stellte sich heraus, dass für die Mehrheit der Deutschen englischsprachige Werbesprüche ein Rätsel sind; ihre Botschaft aber dennoch positiv wahrgenommen wird. Sie „zeigen erneut auf, dass der Einsatz der englischen Sprache in deutschen Werbebotschaften wohl überlegt sein sollte“.
Hier behauptet sich einmal mehr die Allmacht des Konsums. Dabei ist unsere deutsche Muttersprache mehr als nur ein Mittel der Verständigung, doch in den sprachlichen Niederungen der bunten Werbewelt ist sie nicht mal mehr das. Ganz zu schweigen von dem Anspruch, dass die Erhaltung und kreative Weiterentwicklung der deutschen Sprache das größte und wichtigste nationale Kulturprojekt Deutschlands ist. Sie ist das kostbarste Kulturgut, das Medium des Zusammenhalts einer Nation und ihrer Identität (siehe auch Beitrag über »Kulturelle Identität im Zeitalter der Globalisierung«). Dass das nicht nur eine Gelehrtenmeinung ist, belegt eine von der Zeitschrift »Reader’s Digest« für die Märzausgabe beim Meinungsforschungsinstitut »Emnid« beauftragte repräsentative Umfrage. Demnach erklärten 43 Prozent der Befragten die gemeinsame Sprache zum prägendsten Element der nationalen Identität.
Text und Fotos: Jörg Bönisch