Einst wandelten Adlige, Dichter, Gelehrte, Künstler und gut betuchte Bürgerliche durch die Lauchstädter Kuranlagen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde aus dem bis dahin unbedeutenden Ackerbürgerstädtchen ein mondänes Modebad. Heutzutage findet hier kein regulärer Kurbetrieb mehr statt. Dennoch schwärmt René Schmidt, seit 2010 vom Land Sachsen-Anhalt bestellter Geschäftsführer der Historischen Kuranlagen und des Goethe-Theaters Bad Lauchstädt: „Ein Besuch bei uns empfiehlt sich zu jeder Jahreszeit, denn neben dem wunderschönen Kurpark erwartet unsere Gäste ein reichhaltiges Programm mit Konzerten, Aufführungen, Ausstellungen und Führungen durch die Anlagen. Man muss sie einmal erlebt haben, die feierlich-gelöste, unbeschwerte Atmosphäre im Umfeld einer Theateraufführung.“ Johann Wolfgang von Goethe ließ als Oberdirektor der Weimarer Hofschauspieler-Gesellschaft dort 1802 ein Sommertheater errichten – das einzige noch erhaltene Theatergebäude seines Wirkens. Wie auch das gesamte vom Merseburger Stiftsbaumeister Johann Wilhelm Chryselius erschaffene Ensemble der Kur- und Parkanlagen dem originalgetreuen Zustand entspricht.
Seine Bedeutung als Kur- und Badeort erlangt Lauchstädt durch eine Quelle, aus der noch heute Mineralwasser mit heilsamer Wirkung sprudelt. Professor Friedrich Hoffmann, Gelehrter an der Universität zu Halle, verfasst hierüber einen Bericht mit dem Titel „Von der herrlichen Kraft und dem nützlichen sowohl innerlichen als auch äußerlichen Gebrauch des Lauchstädter martialischen Gesund-Brunnens“. Die Kunde von ungewöhnlichen Heilerfolgen macht schnell die Runde, woraufhin die regierende Herzogin Erdmuthe Dorothea von Sachsen-Merseburg 1710 die Quelle einfassen und das erste Brunnenhaus errichten lässt. Nach 1700 avanciert der Ort innerhalb weniger Jahrzehnte zum glamourösen Kurbad. Die eigentliche Glanzzeit des Badeortes setzt nach 1775 ein, als der Dresdner Kurfürst Friedrich August III. mehrmals seinen Sommeraufenthalt in Lauchstädt nimmt. Ein Kursaal und ein Spielpavillon wurden errichtet sowie ein Sommertheater eingerichtet. Mit der Anlage des Kurparks wurde begonnen.
Lauchstädt erhielt 1776 die erste „Komödienbude“ unter Leitung von Friedrich Koberwein, 1785 errichtete Joseph Bellomo ein neues „bretterndes Komödien-Haus“. Als 1791 Goethe auf Geheiß des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar die Leitung der Weimarer Hofschauspieler-Gesellschaft übernahm, wurde Bellomos Vertrag gekündigt. Am 13.Juni 1791 debütierte das Weimarer Hoftheater in Lauchstädt. Bald machten der bauliche Zustand der bisherigen Spielstätte und der steigende Zustrom des Publikums einen Theaterneubau erforderlich. Goethe bestimmte hier die äußere Form mit einer klaren funktionalen Gliederung und einfacher, aber vollkommener Einrichtung des Hauses. Zu den Vorgaben des Dichters gehörte auch die Farbgestaltung des Zuschauerraums, die gemäß seiner Farblehre in gelb, rot und grau ausgeführt war, sowie dessen zeltartige, bemalte Leinwanddecke. Am 26. Juni 1802 wurde es mit dem Prolog Goethes »Was wir bringen« und der Aufführung von Mozarts Oper »Titus« eingeweiht. Mehrfach kam Goethe in den folgenden Jahren wieder. Bedeutende Künstler und Gelehrte der Zeit gaben sich ein Stelldichein.
Panoramabild im Neuen Schillerhaus
Im von Mai bis Oktober dauernden Theatersommer wurden dem Publikum in den Spielplänen 2012 und 2013 jeweils etwa 50 Aufführungen dargeboten. „Dabei ist der Schwerpunkt der Musiktheaterpflege deutlich in den Vordergrund gerückt. Früher standen eher Barockopern im Zentrum der Spielplangestaltung. Nun ist es die Opernentwicklung des 19. Jahrhunderts, mit den großen Komponisten, die diese Zeit geprägt haben und damit besser zur Geschichte des Goethe-Theaters passen“, erläutert Schmidt sein behutsames Umgestalten des Repertoires. Dennoch reicht das Spektrum der Aufführungen von Oper über Konzerte, Schauspiel, Ballett, musikalisch-literarische Programme, Darbietungen für Kinder und Festspiele, wie die halleschen Händel-Festspiele und das Leipziger Bachfest. Da die Spielstätte kein eigenes Ensemble und kein eigenes Orchester hat, arbeitet das Goethe-Theater traditionell eng mit dem Opernhaus Halle zusammen. Aber auch das Theater Magdeburg, die Bühnen der Stadt Gera, das Meininger Theater, die Oper Erfurt, die Kammeroper München, das Deutsche Theater Berlin oder die Musikbühne Mannheim geben hier Gastspiele. Von November bis April werden Veranstaltungen aus der Reihe „Konzert-Winter“ angeboten. Alljährlich im Dezember zieht ein romantischer Christkind’l-Markt die Besucher in seinen Bann.
Besonders stolz ist Schmidt auf Neuinszenierungen: Premiere hatten 2012 „Der Hofmeister“, eine tragische Komödie von Jakob Michael Reinhold Lenz, „Martha oder der Markt zu Richmond“, eine romantisch-komische Oper von Friedrich von Flotow, und Carl Maria von Webers romantische Oper „Der Freischütz“. Der in Leipzig geborene Richard Wagner, der am Lauchstädtschen Sommertheater seine berufliche Laufbahn als Dirigent begann, bezeichnete Weber als den deutschesten aller Musiker. „Der Freischütz“ durchbrach die damalige Vorherrschaft der italienischen Oper und gilt musikgeschichtlich als die deutsche Volksoper. „Im Jahr 2013 erwartete die Theaterbesucher bei uns ein interessantes Projekt der Oper Erfurt als Beitrag zum Richard-Wagner-Jahr: Der Ring des Nibelungen, verdichtet auf zweieinhalb Stunden und bearbeitet für das Marionettentheater“, blickt Schmidt zufrieden zurück. Die Gestaltung des Spielplanes für den Theatersommer 2014 gestaltet sich schwierig, da am Theaterbau dringend notwendige Sanierungsarbeiten durchgeführt werden müssen.
Höhepunkt ist das seit 2007 jeweils im September im Goethe-Theater Bad Lauchstädt von VDS-Mitglied und Kammersängerin Edda Moser inszenierte „Festspiel der deutschen Sprache“. Schmidt glaubt, Moser habe in Bad Lauchstädt die höchste Form der Vollendung gefunden, was den Austragungsort für das Festspiel anbelangt. Was auch daran läge, „dass bei der Ausstattung dieses Theaters zugunsten einer ‚höheren Geistigkeit‘ auf jedwede Form höfischer Repräsentation verzichtet wurde.“ Als künstlerische Leiterin des Festspiels will sie hier auf bedenkliche sprachliche Entwicklungen hinweisen, da sie sich in besonderer Weise der Pflege und dem Erhalt ihrer Muttersprache im Interesse der Sprachgemeinschaft verpflichtet fühlt. So werden alljährlich literarische Werke gelesen, um dem Publikum die Feinheit, Reichhaltigkeit, Ausdrucksstärke und Ästhetik der deutschen Sprache näherzubringen.
„Anlässlich des Festspiels der deutschen Sprache 2012 wurde eine neue Dauerausstellung über die 200-jährige Lauchstädter Theater- und Kulturgeschichte eröffnet, was für Sprachfreunde besonders zu empfehlen ist“, preist Schmidt einen Besuch im Neuen Schillerhaus an. Auf drei Stockwerken widmet sich die Ausstellung der kulturellen Blütezeit des Kurbades im 18. Jahrhundert und der Schillerlegende in Gestalt des original erhaltenen „Schiller-Zimmers“. Im Dachgeschoss erwartet die Besucher eine Schatzkammer mit originalen Versatzstücken und gegenständlichen Erinnerungen aus 200 Jahren Theatergeschichte in Bad Lauchstädt.
Informationen zu den Historischen Kuranlagen und zum Goethe-Theater unter www.goethe-theater.com.
Text: Jörg Bönisch, Fotos: Günther Hartmann (2), Jörg Bönisch (11)