Edda Moser ist eine Dame von Welt. Als Sopranisten wurde sie auf den Bühnen der berühmtesten Opernhäuser vom Publikum gefeiert. Doch kam sie nach langem Aufenthalt im Ausland zurück nach Deutschland, verstand sie die Welt nicht mehr. „Unsere Sprache ist im Begriff, wie ein krankes Tier zu verenden“, wird Moser am 6. Oktober 2006 in der F.A.Z. zitiert. Denn auf Schritt und Tritt begegnen ihr unnötige Anglizismen und ein schludriger Sprachgebrauch. So entschloss sich die Kammersängerin, etwas für die deutsche Sprache zu tun und begab sich auf die Suche nach Gleichgesinnten. Im Rudolstädter Schloss Heidecksburg hatte 2006 das erste Festspiel der deutschen Sprache mit Mario Adorf und Otto Schenk seine Premiere. Einer Empfehlung des früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher († 2016) folgend, wechselte das Festspiel 2007 nach Bad Lauchstädt. Dort treffen sich Schauspieler und Autoren, um die deutsche Sprache zu feiern, ihre Ausdruckskraft und ihre Schönheit zu genießen und zugleich ihrer Banalisierung entgegenzuwirken.
In Bad Lauchstädt wurde Edda Moser von Bernd Heimühle († 2010), dem damaligen Theaterdirektor, mit offenen Armen empfangen. Seit 2010 lenkt René Schmidt die Geschicke des Goethe-Theaters und der Historischen Kuranlagen. Das einzige noch erhaltene Theater der Goethezeit, vom Meister 1802 selbst entworfen und gebaut, bietet seitdem den würdigen Rahmen für das Festspiel der deutschen Sprache, einem ganz besonderen Kulturgenuss. Schmidt glaubt, Moser habe in Bad Lauchstädt die höchste Form der Vollendung gefunden, was den Austragungsort für das Festspiel anbelangt. Was auch daran läge, „dass bei der Ausstattung dieses Theaters zugunsten einer ‚höheren Geistigkeit‘ auf jedwede Form höfischer Repräsentation verzichtet wurde.“ Als künstlerische Leiterin des Festspiels will sie auf bedenkliche sprachliche Entwicklungen hinweisen, wobei sie sich in besonderer Weise der Pflege und dem Erhalt unserer Muttersprache verpflichtet fühlt. So werden alljährlich literarische Werke gelesen, um dem Publikum deren Ursprünglichkeit sowie die Feinheit, Reichhaltigkeit, Ausdrucksstärke und Schönheit der deutschen Sprache in Erinnerung zu rufen.
Standen 2006 bis 2009 Lesungen von Gedichten und Texten verschiedener Dichter und Schriftsteller auf dem Programm, bestimmen danach szenische Lesungen den Festspielplan. Mit „Kabale und Liebe“ (2010), „Don Karlos – Infant von Spanien“ (2014), „Die Räuber“ (2015) und „Maria Stuart“ (2016) wurden Dramen von Friedrich Schiller aufgeführt. Johann Wolfgang von Goethes „Faust“ (2011/2018), „Torquato Tasso“ (2017) und „Iphigenie auf Tauris“ (2018) standen ebenso auf dem Spielplan. 2012 wurde dem Publikum Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ zu Gehör gebracht. Nach über 100 Jahren konnte 2013 im Goethe-Theater ein Stück eines zeitgenössischen Autors uraufgeführt werden. Rolf Hochhuth († 2020) dramatisierte eigens für das Festspiel der deutschen Sprache mit „Neun Nonnen fliehen“ Szenen aus dem Leben von Katharina von Bora und Martin Luther.
Für die Aufführungen gelingt es Moser immer wieder, die Größen der deutschen Schauspielkunst nach Bad Lauchstädt zu holen, und kommentierte dies im Jahr 2014: „Wir haben heute eine Besetzung, wo jedes Theater in Deutschland selig wäre, eine solche Besetzung zu haben.“ Fand das Festspiel der deutschen Sprache anfänglich an einem Abend statt, ist es mittlerweile zu einer Veranstaltung über eine ganze Woche erwachsen. So durften sich die Besucher 2019 an einem Festkonzert mit dem MDR-Sinfonieorchester sowie an Lyrik und Balladen aus drei Jahrhunderten erfreuen. Höhepunkt war die Premiere von Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ in der von Johann Wolfgang von Goethe 1794 für das Weimarer Hof- sowie Lauchstädter Kurtheater eingerichteten Fassung mit Texten von Christian August Vulpius und Emanuel Schikaneder.
Vom Verein Deutsche Sprache (VDS) wurde Edda Moser für ihre Bemühungen um die deutsche Sprache 2007 die Ehrenmitgliedschaft angetragen. Im Jahr 2014 erhielt die Initiatorin und künstlerische Leiterin des Festspiels der deutschen Sprache den Verdienstorden des Landes Sachsen-Anhalt. Frau Moser verfüge über ein unbestechliches Gefühl für herausragende Qualität und setze sich kompromisslos für die deutsche Sprache als europäisches Kulturgut ein, hob Reiner Haseloff, Sachsen-Anhalts Regierungschef, in seiner Laudatio hervor. „Das Festspiel der deutschen Sprache macht einen wichtigen Teil unseres lebendigen kulturellen Reichtums aus. Dort, wo unsere Sprache gepflegt wird, da geht es immer um den innersten geistigen Kern unserer Kultur und des menschlichen Zusammenhalts. Ohne die Sprache gibt es keine Erkenntnis, keinen intellektuellen Austausch, keine Verständigung und folglich natürlich auch kein Verstehen.“
Text und Fotos: Jörg Bönisch