Selbst am anderen Ende der Welt, im 18.000 Kilometer entfernten Neuseeland, ist der eng mit Friedrich Fröbel (1782–1852) verbundene Begriff ‚Kindergarten‘ in den dortigen Sprachgebrauch eingegangen. Wie auch in schätzungsweise 40 weiteren Ländern. Nur in seinem Ursprungsland wird der ‚Kindergarten‘ durch sprachliche Nachlässigkeit aus dem Alltags- und vor allem aus dem Verwaltungswortschatz verdrängt. Vorschub leistete dem in Westdeutschland die Vorschulreform in den 1970-er Jahren. Seitdem ist im Sprachgebrauch die ‚Kindertagesstätte‘, kurz ‚Kita‘, auf dem Vormarsch. Kannte man in der DDR die Begriffe ‚Kinderkrippe‘ (für Kinder bis zum dritten Lebensjahr) und ‚Kindergarten‘ (ab einem Alter von vier Jahren), breitete sich mit der deutschen Einheit auch im Osten der Republik die ‚Kita‘ sprachlich aus. Es steht zu befürchten, dass mit dem Begriff die humanistische Idee von Kindheit sowie das Grundverständnis des Einklangs von Bildung, Erziehung und Betreuung verloren geht.
Das ist ein exemplarisches Beispiel dafür, wie besorgniserregend es in vielen Bereichen um die Sprachkultur bestellt ist. Damit das Wort ‚Kindergarten‘ in Wort und Sinn wieder gestärkt wird, rief 2018 der Fröbel-Kreis im thüringischen Bad Blankenburg – dort, wo 1840 der erste Kindergarten gegründet wurde – die Kampagne „Die Welt spricht Kindergarten“ ins Leben. Im November des gleichen Jahres reichte der Linken-Politiker und langjährige Bürgermeister von Bad Blankenburg, Frank Persike, beim Thüringer Landtag eine gleichnamige Petition ein. Das Anliegen wurde im „Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Kinderbetreuungsgesetzes“ aufgenommen und im September 2019 im Parlament behandelt. Im Ergebnis wurde der Titel in „Thüringer Kindergartengesetz“ geändert und das Namenswahlrecht ‚Kindergarten‘ darin verankert. Ab August 2020 – dann tritt das Gesetz in Kraft – haben Kindertageseinrichtungen im Freistaat Thüringen das gesetzlich verbürgte Recht, in ihrem Namen die Bezeichnung ‚Kindergarten‘ zu führen.
Die Änderung des Gesetzestitels darf aus sprachlicher Sicht als Erfolg gewertet werden und ist ein hoffnungsfrohes Beispiel dafür, wie sich der Einsatz für unsere Landessprache durchaus lohnen kann. Aus sprachpolitischer Sicht geht jedoch das Namenswahlrecht zu weit: Es wird eingeräumt, einen traditionellen deutschsprachigen Begriff verwenden zu dürfen?! Man könnte meinen, das sei eine Regelung, die den Bemühungen derer entspricht, die sich um einen verantwortungsvollen Umgang mit der deutschen Sprache bemühen. Doch es ist nicht gutzuheißen, dass die Politik in den Sprachgebrauch eingreift und diesen per Dekret reglementiert. Bleibt abzuwarten, ob sich dieses Recht nicht als Bärendienst erweist, wenn künftig politische Akteure, beispielsweise die ideologischen Verfechter der Gendersprache, gesetzliche Regelungen für den Sprachgebrauch für sich reklamieren. Das kommt sprachpolizeilichen Maßnahmen gleich, welche der Verein Deutsche Sprache ablehnt.
Text: Jörg Bönisch