Bei schönstem Kaiserwetter trafen sich Ende Juni rund 170 VDS-Aktive, Sprachfreunde sowie Gäste aus dem In- und Ausland zu den diesjährigen Deutschen Sprachtagen in Halle an der Saale. Darunter waren Deutschlehrer, Sprachwissenschaftler und Germanisten aus 15 Ländern: Aserbaidschan, Belgien, Benin, Dänemark, Frankreich, Ghana, Island, Litauen, Österreich, Polen, Russland, Schweiz, Tschechien, Tunesien und aus der Türkei. So wurde die Saalestadt unter Schirmherrschaft des halleschen Oberbürgermeisters Dr. Bernd Wiegand vier Tage lang zur „Internationalen Hauptstadt der deutschen Sprache“. Was auch die Nachrichtenagentur dpa zu würdigen wusste und das Ereignis mit einer bundesweit verbreiteten Meldung unter der Überschrift „Es liegt etwas im Argen“ ankündigte.
Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner bestätigte, dass bildungs- und sprachpolitisch einiges im Argen liegt. Er umriss in seinem Grußwort bei der offiziellen Eröffnung der Sprachtage im Freylinghausen-Saal der Franckeschen Stiftungen drei wichtige Herausforderungen: Da seien zum einen die digitalen Geräte mit deren Auswirkungen auf die Sprache. Zum anderen verurteilt er die „asozialen“ Medien mit ihrer Verrohung der Sprache und deren Folgen in der Gesellschaft. Das größte Problem sieht Tullner jedoch im Zeitgeist mit der „Political Correctness“ und der Genderbewegung: „In einer Region, die sich vor 30 Jahren aufgemacht hat, den freiheitlichen Geist wiederzuentdecken, muss man nun feststellen, dass einem Dinge, die man glaubte überwunden zu haben, nun wieder begegnen. Man muss wie früher überlegen, was man wie sagen darf oder aus verschiedenen Gründen nicht sagen darf.“ Prof. Helmut Obst, Theologe und Ehrenvorsitzender des Kuratoriums der Franckeschen Stiftungen, brachte es am Ende seines Festvortrages auf den Punkt: „Die Sprache darf nicht, wie in der Vergangenheit geschehen, als Kampfinstrument zur Durchsetzung bestimmter politischer oder ideologischer Standpunkte im Namen der Toleranz verwendet werden. In einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft muss die Freiheit der Sprache im Rahmen des Grundgesetzes unbedingt gewährleistet werden.“
„Wenn es den VDS nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.“ Marco Tullner, Bildungsminister des Landes Sachsen-Anhalt |
Beherrschten in den vergangenen Jahren die Anglizismen, das Denglisch und der damit verbundene Sprachverfall die Diskussionen bei den Delegiertenversammlungen, kristallisierte sich in diesem Jahr die Gendersprache als Schwerpunkt für die künftige Vereinsarbeit heraus. In seinem Rechenschaftsbericht stellte der VDS-Vorsitzende Walter Krämer, neben den zahlreichen regionalen und überregionalen Aktivitäten, den erfolgreichen Verlauf der Anfang März gestarteten Unterschriftenaktion gegen den Gender-Unfug vor. Bis Ende April beteiligten sich bereits 70.000 Unterstützer an dem Aufruf. Umfragen im Auftrag des VDS und von zahlreichen anderen Meinungsforschungsinstituten zeigen, dass zwei Drittel der Bevölkerung die orthografischen und grammatikalischen Verrenkungen für eine vermeintlich geschlechtergerechte Sprache ablehnen bzw. diese keinen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter leisten. Die Delegierten waren sich einig, diesen Rückenwind für sprachpolitische Aktionen zu nutzen, um die weitere Entwicklung kritisch und konstruktiv zu begleiten.
Doch wurden in den vier Tagen nicht nur sprachliche und sprachpolitische Probleme gewälzt. Für die Delegierten und Gäste gab es genügend Möglichkeiten, sich mit der reichen Sprachgeschichte im südlichen Sachsen-Anhalt, den Sehenswürdigkeiten der Stadt Halle und dem Bildungskosmos der Franckeschen Stiftungen vertraut zu machen. Eine Exkursion in die „Erlebniswelt Deutsche Sprache“ im Köthener Schloss begeisterte die Teilnehmer der Bildungsreise genauso wie die Führungen durch die Historischen Kuranlagen und das Goethe-Theater Bad Lauchstädt. In Köthen erfuhren die Besucher viel über die Fruchtbringende Gesellschaft, sprachgeschichtliche und aktuelle sprachpolitische Entwicklungen. In Bad Lauchstädt gab es wissenswertes über Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe und Christiane Vulpius zu erfahren. In diesen traditionsreichen und entzückenden Ort lädt Kammersängerin Prof. Edda Moser auch in diesem September zum „Festspiel der deutschen Sprache“ ein.
Fotos: Volker Miske | Jörg Bönisch | Christian Kerkhoff
Ein gemütlicher Abend mit einem gemeinsamen Abendessen an der Saale bot die Möglichkeit, sich zu unterhalten und auszutauschen. Während einer zweistündigen Bootsfahrt auf der Saale nach Wettin konnten sich die Gäste entspannen und die unberührte Natur entlang des Flusslaufs genießen. Eine Führung durch die Halloren-Schokoladenfabrik rundete das Programm ab. Einhellige Meinung der Teilnehmer: Die Sprachtage in Halle werden in guter Erinnerung bleiben. Die Organisatoren Arne-Grit Gerold und Jörg Bönisch aus Halle haben gemeinsam mit der Geschäftsstelle in Dortmund ein tolles Programm vorbereitet – abwechslungsreich, interessant, aber auch erholsam.
Text: Jörg Bönisch