In diesem Jahr hob sich der Vorhang für das Festspiel der deutschen Sprache vom 15. bis 18. September zum elften Mal. Im Rudolstädter Schloss Heidecksburg hatte 2006 das erste Festspiel der deutschen Sprache mit Mario Adorf und Otto Schenk seine Premiere. Einer Empfehlung des früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher († 2016) folgend, wechselte das Festspiel 2007 nach Bad Lauchstädt. Fand es anfänglich an einem Abend statt, ist es mittlerweile zu einer Veranstaltung über vier Tage erwachsen, welche donnerstags mit einem festlichen Eröffnungskonzert beginnt. Dort luden die Kammersängerin Romelia Lichtenstein und das Händelfestspielorchester Halle unter musikalischer Leitung von Katharina Arendt die Zuhörer zu „Magie und Mythos – Zauberinnen des Barock“ in den Historischen Kursaal ein. Die Musiker brachten dem Publikum die Suiten aus „Orpheus oder die Beständigkeit der Liebe“ und „Alcina“ von Georg Philipp Teleman sowie Georg Friedrich Händel zu Gehör.
Freitag und Sonntag stand Schillers Trauerspiel „Maria Stuart“ auf dem Spielplan des Goethe-Theaters in Bad Lauchstädt. Als künstlerische Leiterin des Festspiels der deutschen Sprache gelingt es unserem VDS-Mitglied Kammersängerin Edda Moser immer wieder, die Rollen mit den Größen der Schauspielkunst zu besetzen. So durften sich die Besucher in diesem Jahr auf eine szenische Lesung mit Hanna Schygulla und Sybille Canonica als Maria Stuart, Königin von Schottland, und Elisabeth I., Königin von England, freuen. Hans Jürgen Schatz, Bernt Hahn und Peter Prager schlüpften in die Rollen der Grafen Leicester und Shrewsbury sowie des Barons Burleigh. Thomas Stecher gab den Ritter Paulet, Benjamin Krüger seinen Neffen Mortimer. Marias Amme Hanna Kennedy verkörperte Monika Lennartz, Martin Valdeig las den Staatssekretär Sir William Davison. Graf Aubespine und Marias Haushofmeister Melvil übernahm Ludo Vici.
Sonnabendvormittag moderierte Hartmut Kriege, freier Autor und Journalist, ein literarisch-philosophisches Gespräch mit dem Titel „Vernunft und Sinnlichkeit“. Gäste waren Kammersängerin Prof. Edda Moser, Seine Kaiserliche Hoheit Prinz Dr. Asfa-Wossen Asserate, der Journalist Wolf von Lojewski und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Der Gesprächsfaden entspann sich an den historischen Bezügen der Maria Stuart und deren Mythos. Der Fernsehjournalist von Lojewski, selbst ostpreußisch geprägt und viele Jahre in Großbritannien tätig, schilderte die charakteristischen Unterschiede der tugendhaften, vernünftigen Deutschen zu den humorvolleren und somit sinnlicheren Briten. Moser schlug den Bogen einer vernünftigen, disziplinierten Künstlerin zur ebenso ausdrucksstarken Sopranisten, die dem Publikum sinnliche Freude, durch die Wahrnehmung der musikalischen Darbietung mit den menschlichen Sinnen, bereiten möchte.
Ministerpräsident Haseloff spann den Faden mit Bezügen zu den aktuellen Anforderungen an die deutsche und europäische Politik weiter. Dabei hob er die Bedeutung religiöser Werte hervor, um eine wertschätzende Politik für die Menschen auf demokratischer Grundlage zu machen. Dr. Asfa-Wossen, Preisträger des Jacob-Grimm Preises Deutsche Sprache 2015, verschaffte mit seinen afrikanisch-orientalischen Wurzeln ungewöhnliche und umso interessantere Einblicke. Er gab zu bedenken, sich auf die gemeinsamen Grundlagen der drei großen Religionen zu besinnen und sich auf dieser Ebene friedlich zu verständigen. Außerdem forderte er die Regierungen auf, die Diktatoren und Despoten auf dem afrikanischen Kontinent, die gegen Menschenrechte verstoßen und ihr Volk unterdrücken, nicht weiter zu unterstützen. Damit würde ein Grundübel, warum Menschen in Europa Schutz suchten, beseitigt werden.
Schutz bedarf nach Mosers Auffassung auch unsere Mutter- und Landessprache: „Ich ärgere mich wahnsinnig darüber, dass die deutsche Sprache in ihrer Vornehmheit und ihrer wunderbaren Einmaligkeit durch diese ständigen Anglizismen verhunzt wird.“ So will sie ihre Zeit und Kraft dafür einsetzen, der deutschen Sprache einen Gefallen zu tun. Was ihr seit elf Jahren mit dem Festspiel der deutschen Sprache auf ganz wunderbare Weise gelingt.
Vom Verein Deutsche Sprache wurde Edda Moser für ihre Bemühungen um die deutsche Sprache 2007 die Ehrenmitgliedschaft angetragen. Im Jahr 2014 erhielt die Initiatorin des Festspiels der deutschen Sprache den Verdienstorden des Landes Sachsen-Anhalt. Frau Moser verfüge über ein unbestechliches Gefühl für herausragende Qualität und setze sich kompromisslos für die deutsche Sprache als europäisches Kulturgut ein, hob Haseloff als Schirmherr des Festspiels in seiner Laudatio hervor. „Das Festspiel der deutschen Sprache macht einen wichtigen Teil unseres lebendigen kulturellen Reichtums aus. Dort, wo unsere Sprache gepflegt wird, da geht es immer um den innersten geistigen Kern unserer Kultur und des menschlichen Zusammenhalts. Ohne die Sprache gibt es keine Erkenntnis, keinen intellektuellen Austausch, keine Verständigung und folglich natürlich auch kein Verstehen.“
Standen 2006 bis 2009 Lesungen von Gedichten und Texten verschiedener Dichter und Schriftsteller auf dem Programm, bestimmen seit 2010 szenische Lesungen den Spielplan. In diesem Jahr wird mit „Maria Stuart“ nach „Kabale und Liebe“ (2010), „Don Karlos – Infant von Spanien“ (2014) und „Die Räuber“ (2015) zum vierten Mal ein Drama von Schiller aufgeführt. In den Jahren 2011 und 2012 gab es Goethes „Faust – Eine Tragödie“ und Lessings „Nathan der Weise“. Nach über 100 Jahren wurde 2013 im Goethe-Theater ein Stück eines zeitgenössischen Autors uraufgeführt. Rolf Hochhuth dramatisierte eigens für das Festspiel der deutschen Sprache mit „Neun Nonnen fliehen“ Szenen aus dem Leben von Katharina von Bora und Martin Luther.
Text und Fotos: Jörg Bönisch